Da ich von vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die nicht bei den beiden Kandidatenvorstellungen in Waldshut und Tiengen am 11. und 12. Juli dabei sein konnten angesprochen wurde, veröffentlich hier gerne die Rede, die ich dort gehalten habe.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Schön, Sie hier alle zu sehen. Danke für Ihr Interesse an dieser OB-Wahl – und damit der Zukunft unserer Stadt. Danke für die Möglichkeit, Sie damit vertraut zu machen, welche Ideen ich für deren künftige Entwicklung habe. Für die Stadt, die mir – und meiner Familie – in den vergangenen acht Jahren zur Heimat geworden ist. Und der ich gerne weitere acht Jahre als Oberbürgermeister dienen würde. Als Ihr Oberbürgermeister.
In den vergangenen Wochen ist das Gespräch über die Zukunft der Stadt leider zu kurz gekommen. Da schien es einigen wichtiger zu sein, über meine Person zu reden, als über das, worum es bei einer OB-Wahl eigentlich gehen sollte: Zukunftsthemen, Visionen, Ideen für den künftigen Kurs der Stadt.
Es wurden Vorwürfe erhoben – schwammig, nebulös und ohne konkrete Belege. Aber mit maximalere Wirkung. Und erkennbarer Absicht. Es wurden Unwahrheiten verbreitet, mitunter in menschenverachtender Weise, dass es einem die Sprache verschlagen konnte. Das hat weh getan. Nicht nur mir, sondern meiner ganzen Familie. Ich bin bestimmt nicht perfekt. Auch ich habe meine Fehler. Aber so, wie ich von einigen dargestellt werde, bin ich ganz sicher nicht. Nicht nur einmal habe ich mich gefragt, ob und wie ich darauf reagiere – auch mit Blick auf den heutigen Abend. Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun. Einfach, weil das nicht mein Stil ist – nicht meine Art von Wahlkampf.
Heute, bei dieser Kandidatenvorstellung, soll die Zukunft unserer Stadt im Vordergrund stehen. Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. So, wie wir es auch bei meinen Haustürbesuchen getan haben. Die Offenheit, mit der Sie mir bei diesen begegnet sind, hat mich berührt. Die Herzlichkeit, mit der Sie mich empfangen haben, die war einfach nur überwältigend. Wie oft ich eingeladen worden bin, länger zu bleiben – auf eine Tasse Kaffee oder sogar zum Essen –, ich habe irgendwann aufgehört, zu zählen. Jedes einzelne Gespräch war ein Geschenk – und wird mir in bester Erinnerung bleiben. Vielen, vielen Dank dafür! Auch für die moralische Unterstützung und den großen Zuspruch zu meiner erneuten Kandidatur.
Immer wieder habe ich von Ihnen gehört, dass ich von meinem Vorgänger „ein schweres Erbe“ übernommen hätte. Und ja: Es hätte leichter sein können. Viele bereits aufgegleiste oder in dringender Wartestellung befindliche Themen waren zu stemmen: mit der Stadthalle Waldshut, den Freibädern, dem Kornhaus oder den Sanierungsgebieten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wir hatten seit 2015 enorme Sanierungsrückstände aufzuarbeiten – bei den Schulen, den Kitas, den Bädern, den Brücken, eigentlich der gesamten baulichen Infrastruktur –, und gleichzeitig auch noch vieles aufzufangen, was unvorhersehbar auf uns zugekommen ist. Etwa die millionenschweren finanziellen Belastungen durch das Spital, aber auch die Corona-Pandemie oder der Ukrainekrieg. Dass ich mein Amt auf dem Höhepunkt der Syrienkrise angetreten habe, ist heute fast vergessen. Wir hatten die letzten acht Jahre richtig zu ackern – und das im Dauerstress. Aber wir haben auch viel zusammen erreicht: indem wir die Stadt und ihre Ortsteile in elementaren Bereichen zukunftsfest gemacht und dabei auch noch richtig tolle Werte geschaffen haben. Mit der Stadthalle Waldshut, den drei Bädern, dem Kornhaus mit der wunderschönen Stadtbibliothek, dem neuen Feuerwehrgerätehaus mit Kita, dem Breitbandausbau und und und. Fast 100 Mio. Euro haben wir dafür in die Hand genommen. Und wenn ich „wir“ sage, dann meine ich Oberbürgermeister, Stadtverwaltung und Gemeinderat. Wir alle zusammen – gemeinsam an einem Strang ziehend. Das wird manchmal vergessen.
Leider ist dabei nur wenig Zeit geblieben, um einmal innezuhalten und zu fragen, wo wir mit unserer Stadt eigentlich langfristig hinwollen. Wie wir in Waldshut-Tiengen in zehn, zwanzig, dreißig Jahren leben möchten. Diese Zeit ist jetzt. Gemeinsam mit Ihnen möchte ich eine Vision für die künftige Entwicklung unserer Stadt entwickeln – eine Strategie. Professionell begleitet und unter intensiver Beteiligung von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern. Für die Menschen. Für die Stadt.
Dieses Drehbuch oder – wie Stadtplaner es nennen – „integrierte Stadtentwicklungskonzept“ soll die großen Themen der Zeit im Gesamtzusammenhang betrachten und anordnen, gut abgewogen und priorisiert. Sozusagen als Leitfaden für die Arbeit der kommenden Jahre und Jahrzehnte.
Welche Themen sehe ich da?
Da ist zunächst das Thema Wohnen. Wo schaffen wir den in der Stadt dringend benötigten Wohnraum, gerade auch den bezahlbaren? Wo in den Kernstädten? Wo in den Ortschaften? Wo entwickeln wir neue Wohnformen, in denen Menschen unterschiedlicher Generationen zusammenleben, sich gegenseitig helfend? Auf dem frei werdenden Klinikareal? Oder auf dem Aarberg? Soll es eine Bergstadt IV geben? Oder kommen wir vielleicht zu dem Schluss, großflächig gar nicht mehr wachsen zu wollen – uns mit Nachverdichtungen und Lückenschlüssen zufrieden zu geben?
Uns wird weiter die Frage beschäftigen, wo und wie wir unsere Betreuungsinfrastruktur ausbauen, also weitere Kita- und Krippenplätze schaffen. Für unsere jungen Familien. Mit der Kita Eichholzstraße, der Kita Ziegelfeld und dem Kindergarten St. Joseph sind wir noch nicht am Ende der Entwicklung. Weitere Neubauten werden folgen. In Waldshut wie in Tiengen.
Wie geht es mit der Entwicklung unserer Schulen weiter? Die Modernisierungsoffensive an unseren neun städtischen Schulen wird selbstverständlich fortgesetzt. Auf das KGT, das Hochrhein-Gymnasium, die Theodor-Heuss-Schule und die Erweiterung der Grund- und Werkrealschule Gurtweil werden die Heinrich-Hansjakob-Schule und die Robert-Schuman-Realschule folgen – mit am Ende um 40 Mio. Euro Gesamtinvestition. Aber wie machen wir unsere Schulen ganztagestauglich? Wo braucht es weitere Mensabauten? Und was kommen sonst noch für Entwicklungen auf uns zu? Auch das wird uns beschäftigen.
Das brennendste Thema ist für viele von Ihnen – auch für mich – die Gesundheitsversorgung. Wochenlang auf einen Arzttermin warten oder dafür weit fahren zu müssen, ist kein Zustand. Wie schaffen wir es also, die dringend benötigten Ärzte zu uns in die Stadt zu bekommen? Gerade auch im Hinblick auf die in den kommenden Jahren altersbedingt freiwerdenden Arztsitze? Ärztehäuser können da helfen – ja. Vor allem aber braucht es die Ärzte selbst. Weil man die im ländlichen Raum mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr an Land zieht, sind wir Teil eines Landesprogramms geworden, das hier neue Wege beschreitet. Gerne möchte ich mit Ihnen in diesem Kontext auch darüber diskutieren, ob wir auf dem Spitalgelände – nach dem Wegzug des Klinikums – nicht vielleicht eine medizinische Versorgungsstruktur schaffen. Als eine von mehreren künftigen Nutzungen. Es wäre sicher eine sehr sinnvolle.
An der Gesundheitsversorgung hängt die Pflege und somit die Frage: Wie stellen wir das Pflegeangebot in der Stadt sicher? Wäre vielleicht auch hier auf dem Spitalgelände ein weiteres Angebot denkbar? Welche Pflegemodelle passen am besten in die Zeit? Und: Welche Standortlösung findet sich für das Pflegeheim St. Joseph in Tiengen? Ihre Sorge hier ist auch meine Sorge.
Dann natürlich die Generationenfreundlichkeit. Wo sind die Stellschrauben, um für unsere Kinder, unsere Jugendlichen, unsere Familien sowie unsere Seniorinnen und Senioren attraktiv zu bleiben – oder noch attraktiver zu werden. Das fängt an bei den Freizeitangeboten an. Das geht mit der Mobilität weiter – also, dass wir gut von A nach B kommen, nicht nur innerhalb der Kernstädte, sondern auch zwischen diesen, die Ortschaften miteingeschlossen. Mit unseren Jugendtreffs, unserem Wildgehege, unseren Bädern, unserer neuen Stadtbibliothek haben wir schon viel Gutes vorzuweisen. Auch die Arbeit der Vereine gehört da unverzichtbar dazu. Aber eine Stadt ist nie fertig. Darum: Würde nicht auch uns ein Familien- oder Generationenzentrum gut zu Gesicht stehen? Auch hier fällt mir spontan das Spitalgelände ein.
Überhaupt ist mir wichtig, dass wir unsere Seniorinnen und Senioren stärker in den Fokus nehmen. Also die Menschen, die unser Land und unsere Stadt großgemacht haben. Die noch mitten im Leben stehen und sich gerne in die Gesellschaft einbringen wollen. Ob als Lesepatinnen und Lesepaten oder in unseren Vereinen – um nur zwei Beispiele zu nennen. Was deren Beteiligung und Einbeziehung angeht, sind die Anfänge bereits gemacht. Ich erinnere an den Generationendialog in der Stadthalle Waldshut vor wenigen Monaten. Aber aus Anfängen müssen Fortsetzungen werden – weshalb ich zum Beispiel unser Kinder- und Jugendreferat zu einem Amt für alle Generationen ausbauen möchte.
Schließlich das Jahrhundertthema Klima. Wie rüsten wir uns für die Klimawende? Wie bekommen wir unsere 170 städtischen Gebäude klimaneutral? Wie gestalten wir die Wärmeversorgung – entkoppelt von fossilen Energieträgern. Welche Klimaanpassungen nehmen wir in unseren Innenstädten und Quartieren vor?
Die Mobilität ist damit untrennbar verbunden – und damit die Frage, wie wir die zahlreichen Eilzelthemen und -maßnahmen dieses Themenkomplexes als abgestimmtes Ganzes in Einklang bringen? Also die Elektrifizierung der Hochrheinbahn, den Ausbau des Radwegenetzes (durch Umsetzung des kreisweiten Radwegekonzeptes), der E-Ladeinfrastruktur, der B 34, den Weiterbau der A 98 sowie den Bau der zweiten Rheinbrücke. Nicht zu vergessen: die sogenannten „Mobilitätshubs“, an denen unterschiedliche Mobilitätsformen zusammentreffen, und der Vorstauraum am Zoll.
Last but not least: unsere Innenstädte. Sie sind Orte der Begegnung, der Kommunikation, des Handels – und das sollen sie auch bleiben. Mit einem bunten Angebotsmix, ohne Leerstände, mit nicht mehr Nagelstudios als nötig – und barrierefrei, also generationengerecht. Auch diese Herausforderung werden wir nur gemeinsam meistern: durch ein konstruktives Miteinander von Gewerbe, Stadt und Bürgerschaft – und natürlich Gemeinderat! Hierfür möchte ich unsere Wirtschaftsförderung ausbauen und sie noch enger mit dem Tourismus und dem Stadtmarketing verzahnen. Aber auch baulich wird einiges passieren: In Waldshut steht die Sanierung der Rheinstraße an, in Tiengen die der Unteren Hauptstraße und anschließend des Marktplatzes. Letzteren werden wir – in Verbindung mit dem ALI-Theater – zu einem ganz neuen Ort der Begegnung machen. Und natürlich werden wir alles daransetzen, dass das Areal um den heutigen Sulzerring-Parkplatz nachhaltig entwickelt wird – ob mit dem Klettgau-Carree oder neuem Ansatz. In jedem Fall in Verbindung mit Parkhaus oder Tiefgarage. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dass es hier weitergeht.
Abschließend: Wie halten wir unsere zehn Ortschaften lebendig und lebenswert? Mit ausreichend Bauland für die Jungen und einem aktiven Dorf- und Vereinsleben. Mit guten Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft – denn auch die ist wichtig.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger!
Das sind die Themen, in denen Zukunft gemacht wird. Und ich habe sie ganz bewusst als Fragen angerissen – ohne fertige Antworten, von einigen Ideen und Denkanstößen abgesehen. Ich bin nicht der OB, der alles besser weiß und für alles eine fertige Lösung hat – und das will ich auch gar nicht sein. Ich möchte unsere Stadt gemeinsam mit Ihnen nach vorn bringen. So, wie wir es schon in ganz vielen Bereich getan haben – und auch heute tun. Gemeinsam mit Ihnen möchte ich jetzt – nach Jahren des Abarbeitens und Sanierens – den Schalter umlegen, um vom Reaktionsmodus in den Aktionsmodus zu wechseln.
In unserer Stadt steckt so viel kreatives Potential und bürgerschaftliches Knowhow, das es unbedingt zu nutzen gilt. Schon dafür brauchen wir Sie. Es ist Ihre Stadt. Das ist mein Angebot an Sie: am Drehbuch für unsere gemeinsame Zukunft mitzuschreiben. Es wäre mir eine Freude und eine Ehre, Sie auf dieser Reise begleiten zu dürfen – die Reise in unsere Zukunft. Unabhängig. Tatkräftig. Bürgernah.
Dass ich OB kann, auch in schwierigen Phasen, habe ich die letzten acht Jahre bewiesen. Dass ich die nötige Durchsetzungskraft und Ausdauer habe, auch. Außerdem kenne ich „meine“ Stadt – seit den Haustürbesuchen mehr denn je, wie mit der Lupe. Und ich kenne die Verwaltung – und sie kennt mich. Wir haben eine gute Mannschaft, arbeiten gut zusammen – auch, wenn das manche nicht wahrhaben wollen. Vor allem aber bin ich niemandem verpflichtet – außer Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, und dem Wohle der Stadt.
Hierfür bitte ich Sie am 23. Juli um Ihr Vertrauen und Ihre Stimme. Für die Menschen. Für die Stadt.
Vielen Dank!